Zugeben, so ein Kabarettistenleben kann schon sehr anstrengend sein: Programm schreiben, viel Text auswendig lernen, Abend für Abend auf der Bühne stehen und einen Monolog halten, auf Tour gehen und so weiter… Da freut sich jeder auf die schönsten Wochen des Jahres in Form von Urlaub.
Wer eine Reise tut, der kann etwas erzählen. Und Frau Händler gönnt sich offensichtlich gerne eine Auszeit im In- und Ausland. Bei der Gelegenheit be-
treibt sie gerne Typen- und Verhaltensforschung. Dank ihrer ausgezeichneten Beobachtungsgabe hat die Künstlerin jetzt genug Material für ihr neues So-
lo „Ausrasten“ über (angebliche) Urlaubserlebnisse der skurrilen Art – für ein abendfüllendes Programm.
Spaßfaktor: 100%
Frau Händler kommt gerade gestresst vom All-inclu-
sive-Cluburlaub in der Türkei zurück und ist mit den Nerven völlig fertig – kein Wunder: Andrea Händler ist am „Ausrasten“. Am Flughafen Wien wurde Frau Händler mit einer Louis-Vuitton-Billigkopie erwischt. Eine Spaßbremse alias Zollbeamter hat „Speedy“ alias Tussischleuder konfisziert. Selbst die beste Ausrede „Ich bringt nur „gute Laune“, „knusprige Bräune“ oder „3 kg mehr am All-inclusive-Hintern“ mit.“ halfen nicht. Die Tasche ist für sie ein Lebens-
gefühl und befindet sich jetzt im „Handtaschen-
Guantanamo“. Bei Frau Händler liegen die Nerven blank. Die Kabarettistin zittert um das Schicksal ihrer geliebten Tasche. Während sie im Flughafenwarte-
raum auf ihre Verhandlung wartet, lässt sie nochmals ihre Urlaubserlebnisse Revue passieren:
Nicht dass Andrea Händler zu den oberflächlichen Shopping-Zicken, für die Marken wie Prada, Louis Vuitton und Co. die wahren Drogen sind, gehört, aber beim Anblick dieser Tasche war es „Liebe auf den ersten Blick“. Sie berichtet wie sie sich im Shopping-Paradies des türkischen Verkäufers gegen die beiden Schweizer Toblerone-Tussen durchge-
setzt hat, damit sie ihre Nachbarin Frau Waldenstein mit der neuen Handtasche ärgern kann. Nach eige-
nen Angaben frönte sie ihrer Lieblingssportart „Nordic-Buffet-Walking“, litt an Versäumnispanik, war nach Aqua-Gymnastik beim erotischen Ausdruck-
töpfern, nahm am Laien Dance im Cowgirl-Kostüm teil, war bei „Hilfe ich war ein Star“ (eine Art Gut Aiderbichl für C bis Z Promis) und beherrschte die hohe Kunst des Spiels „Psychogemetzel um die Strandliegen“ inkl. „Reviermarkierung“ mit Handtuch um 4:30 Uhr, und sie ist sehr stolz darauf, dass sie ein echtes Verlustgeschäft für den Veranstalter war. Zugeben, ein entspannter Urlaub sieht anders aus. Aber ein All-inclusive-Urlaub ist noch immer besser als All-you-can-work-Ferien. Wenn es mit der Krise so weitergeht, dann wird arbeiten im Urlaub der neue Trend. Auch davon kann Frau Händler eine Ge-
schichte erzählen, als sie 2008 für 8 österreich-
ische Blauhelme als „Gaudimausi“ am Golan in Syrien auftrat. Zu den weniger guten Urlaubserinnerungen (jedenfalls für Frau Händler) zählen wohl auch die Erlebnisse mit nervenden Fluggästen und die Aus-
speisung im Flugzeug, wenn sie statt Huhn Kabel-
jau-Scheiterhaufen bekommt. |
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Etwas herb wird es, als sich die Kabarettistin Gedan-
ken über Kinderarbeit und Unterstützt in Entwick-
lungsländer macht. Dennoch gelingt es Andrea Händler ihre Erkenntnisse und Weisheiten in humor-
volle Anekdoten zu verpacken. Andrea Händler mei-
det Wellness-Oase, denn auf die Auswahl an selte-
nen Pilzen in der „Südregion“ kann sie gut verzich-
ten. Und auch der „Reload your love“-Urlaub im rosa Romantikhotel, wo jeder Stein sein Rüscherl hat, dürfte unvergesslich bleiben. Selbst in der Mond-
schein-Suite inkl. Erotikschalter und „erotischem Betthupferl“ (Andrea Händlers Luxuskörper wurde von einem Haubenkoch dekoriert) waren sie und ihr „Bärli“ den erotischen Herausforderungen nicht gewachsen. Fazit: Romantik kann man nicht für ein Wochenende buchen!
Auch über Existenzpanik, Shopping und Dating-Platt-
formen im Internet und Facebook-Sucht philoso-
phiert die 50-jährige Wienerin und meint: „Echt leben zahlt sich nicht mehr aus. – Ich poste, also bin ich.“ Übrigens, auch die Händler ist jetzt auf Facebook und hat ihre eigene kostenlose App! All jene, die jetzt Entzugserscheinungen nach Internet bekom-
men, dürfen sich auf die Pause freuen, alle anderen Besucher dürfen, falls sie es noch können, mit realen Personen plaudern.
Im zweiten Teil wartet eine nervöse Frau Händler auf die Urteilsverkündigung, denn während des „staatlich geförderten All-inclusive-Urlaubs“ (Hefen = Gefängnis) ist nicht nur die knusprige Bräune ver-
schwunden, sondern sie hatte keinen Stylingstress, da das Outfit für alle gleich war, dafür gab es viel Erholung, viel Schlaf vor Mitternacht, sie hat von ganz alleine abgenommen, weil das Essen so graus-
lich war, und dann hat sie Urlaubsbekanntschaften gemacht von denen man in einem normalen Urlaub nur träumen kann.
Und dann kam für einen kurzen Augenblick nichts. Andrea Händler: „Ich hab einen originalen Hänger.“ Charmant und schlagfertig überspielt sie die unfrei-
willige Unterbrechung und rettet sich mit einer sehr unterhaltsamen spontanen Improvisation: „Als Frau darf ich das sagen, bei den männlichen Kollegen kommt das vielleicht ein bisserl blöd.“ Für diesen netten Nebeneffekt gab es am Premierenabend tosenden Applaus!
Die Überleitung vom Handy zum Afrika-Urlaub für die reiferen „Sugar-Mamas“, die als Sex-Touristinnen auf Hormonfahrt in den Wohn- und Wirkungsraum des schwarzen Mannes fahren, funktioniert dann wie-
der fließend. Andrea Händler: „Das ist der Kapitalis-
mus der Liebe.“ Nein, die Kabarettistin hat dies Dank sexueller Nahversorgung Gott sei Dank nicht nötig. Sie war mit ihrer Mutter in Kenia auf Safari um die „Big Five“ (Löwe, Elefant, Leopard, Nashorn, Büffel) zu fotografieren. Dass es dabei zuging wie bei uns am Freitagnachmittag auf der Süd-Ost-Tangente überraschte sie dann doch.
Auch die aktuelle Krise thematisiert die 50-jährige Wienerin, und erzählt wie beispielsweise eine Freundin nach ihrer Scheidung ihren Rettungs-
schirm am Strand von Rhodos aufgespannt hat und so Bankrottstaaten unterstützt. |
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Ungeduldig wartet Frau Händler auf ihr Urteil. Sie hat kein gutes Gefühl bei der Richterin, die für ihre schmähfreie Zone berüchtigt ist. Die Richterin liest die Anklagepunkte vor und die Staatsanwaltschaft ruft ihre Zeugen auf. Sämtliche Charaktere der letzten zwei Stundend kommen in wenigen Sätzen nochmals zu Wort. Jetzt ist die begnadete Schau-
spielerin ganz in ihrem Element. Blitzschnell wech-
selt sie von einer Rolle zur nächsten.
Bei der Gelegenheit erklärt Frau Händler an authen-
tischen Beispielen die unterschiedlichen Urlaubs-
typen: Die Bürgerlichen: Wanderer, die sich im Salz-
kammergut in Tracht schmeißen und wie ein Alm-
dudler-Paar wandern gehen; die Alternativen-Yoga-
Faschisten: die sich bei Heilfasten, Nachtwandeln, Mondheulen erholen; und dann gibt es noch die Dauer-Camper: die eingefleischte Gemeinde lebt in ihrer ganz eigenen Welt – wie Andrea Händler aus (eigener) Erfahrung zu berichten weiß.
Sehr persönlich wird es als sie über den Urlaub als Jungendliche mit ihren Eltern in Jesolo (die Karibik des „Kleinen Mannes“ in den 70er) und ihre Sprach-
ferien in England berichtet.
Endlich ist es soweit, das Urteil wird verkündet. Bei der Urteilsverkündigung sollten Sie – als Zeuge – ungedingt persönlich anwesend sein. Nur so viel sei an dieser Stelle verraten: So ein Taschenkauf kann Auswirkungen haben…
Fazit:
Viel Zeit zum „Ausruhen“ bleibt im wohlverdienten Urlaub nicht, wenn man Andrea Händler heißt, denn die sympathische und liebenswert chaotische Ka-
barettistin ist am „Ausrasten“ – im doppelten Wort-
sinn. Mit ihrem neuen Programm „Ausrasten“ sorgt Andrea Händler wieder für begeisterte Lacher im Publikum. Selbsterlebtes kombiniert sie geschickt mit Erfahrungen von Co-Autorin Angelika Hager, Freunden und Bekannten. Neben den Tücken des All-inclusive-Urlaubs präsentiert sie authentisch und humorvoll zugleich jene Personen und Situationen, die einen den Urlaub vermiesen können. Im kurz-
weiligen Programm wechselt die beliebte Schau-
spielerin zwischen unzählige verschiedene Charak-
tere perfekt hin und her und lässt beinahe keine Gesellschaftsschicht mit den dazugehörigen Kli-
schees aus. Von der neidischen Nachbarin, den unangenehmen Mitreisenden, dem türkischen Ver-
käufer über die typisch blonden Touristinnen, die Zellengenossin im Gefängnis bis zur strengen Rich-
terin und viele mehr reicht ihr Repertoire. Nach dra-
maturgisch perfekt aufgebauten Übergängen punk-
tet sie mit etwas Sozialkritik, viel Humor und Augen-
zwinkern – all inclusive!
Motto des Abends: Lachen von der ersten bis zur letzten Minute!
zur Kabarett-Urlaubsfotogalerie (30 Fotos)
UNISEX-Bewertung:
5 von 5 Sternen bzw. 5 von 5 Punkten!
Web-Tipp: Weitere Informationen und Termine finden Sie unter www.andreahaendler.at und unter www.facebook.com/HaendlerAndrea |